Protest am Rechtshaus – Mitarbeitende und Studierende gemeinsam gegen Kürzungen

42 Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg und der Fachschaftsrat haben sich in einer öffentlichen Stellungnahme gegen die deutliche Verringerung des Lehrangebotes und weitere drohende Kürzungen ausgesprochen. Sie appellieren an den Senat, eine den tatsächlichen Aufgaben genügende Finanzierung der Universität zu gewährleisten, die auch denjenigen Studierenden, die kein Geld für kommerzielle Zusatzangebote haben, eine gute Ausbildung ermöglicht. Das Dekanat der Fakultät hatte am 12.2.2021 angekündigt  alle staatsexamensrelevanten Arbeitsgemeinschaften,  im  Hauptstudium (4. und 5. Semester)zu streichen und die Zahl der Teilnehmenden in den Arbeitsgemeinschaften des 2. und 3. Semesters von 25 auf 40 zu erhöhen. Gerade in Pandemiezeiten sind die Arbeitsgemeinschaften besonders wichtig für die juristische Lehre, weil in ihnen interaktiver Unterricht in Kleingruppen stattfindet. Hintergrund der Kürzungen ist eine erhebliche Lücke in der Finanzierung der Universität im Allgemeinen und der Fakultät für Rechtswissenschaft im Besonderen. Es ist bereits absehbar, dass in den kommenden Semestern weitere massive Kürzungen vorgenommen werden müssen, die zu einer qualitativen Verschlechterung der Lehre und auch der Zukunftsaussichten von angehenden Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern führen. Vor diesem Hintergrund ist für uns nicht nachvollziehbar, dass die Wissenschaftssenatorin davon spricht, „ganz neue Möglichkeiten und auch Planungssicherheit“ für die Universität geschaffen zu haben. „Die Kürzungen geben uns ernsthaften Anlass, über die Zukunft besorgt zu sein. Uns ist durchaus bewusst, dass in Zeiten der Krise an vielen Stellen ein erhöhter Finanzierungsbedarf entsteht. Wir wollen aber zu bedenken geben, dass Kürzungen im Bereich der Lehre zu einer langfristigen Verschlechterung der juristischen Ausbildung führen werden, gerade vor dem Hintergrund, dass die Studierenden schon im dritten Online-Semester sind“ erklärt Dr. Daria Bayer, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Rechtsphilosophie und Strafrecht, stellvertretend für die Unterzeichnenden. „Es besteht eine faktische Diskrepanz zwischen dem Versprechen von Seiten des Senats, den ‚Exzellenzstatus‘ der Universität Hamburg durch entsprechende finanzielle Unterstützung sicherzustellen, und der materiellen Realität. Das ist ein Problem, auf das wir aufmerksam machen wollen.

Auch der Fachschaftsrat Rechtswissenschaft, die gewählte Vertretung der Studierenden kritisiert die Kürzungen: “Die Studierenden mussten wegen Corona ein ganzes Jahr im Homeoffice verbringen. Die Kommiliton*Innen, die jetzt in das dritte Semester kommen, haben die Uni noch nie von Innen erleben dürfen. Als Willkommensgruß wird ihnen die einzige Austauschmöglichkeit im Studium in Form der AGs eingekürzt.” so Jonas Willers für den Fachschaftsrat. Schon jetzt fühlen sich die meisten Studierenden dazu gezwungen, in der Examensvorbereitung auf private Repetitorien zurückzugreifen. Der geplante AG Wegfall würde die Studierenden dazu zwingen, in noch größerem Umfang auf teure Privatangebote zurückzugreifen. Alle die sich dies nicht leisten können, erfahren damit erheblich Nachteile. Die weiteren Sparmaßnahmen verstärken damit die schon bestehende Bildungsungerechtigkeit noch weiter. „Studieren darf nicht zu einem Privileg verkommen. Wir fordern den Senat dazu auf, eine ausreichende Finanzierung der Universität sicherzustellen.”

Die finanzielle Schieflage der Universität Hamburg ist auf eine Unterfinanzierung im vergangenen Jahrzehnt rückführbar. Seit 2012 sind die Mittel jährlich lediglich um 0,88 % gestiegen – das liegt unterhalb der Inflationsrate und zudem deutlich unterhalb der Tarifsteigerungen desselben Zeitraums. Infolgedessen war die Universität in den vergangenen Jahren gezwungen, ihre finanziellen Reserven weitgehend zu verbrauchen. Der nun beschlossene Zukunftsvertrag vermag die entstandene Lücke auch deshalb nicht zu schließen, weil durch die Stadt in der Vergangenheit in Aussicht gestellte finanzielle Mittel für die Übernahme von Aufgaben durch die Universität, beispielsweise der Ausbau der Informatik, bislang nicht zur Verfügung gestellt worden sind.

Quellen und Informationen: 

An der Fakultät für Rechtswissenschaft arbeiten ca. 85 Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Zitat Katharina Fegebank: „Ganz neue Möglichkeiten“: Zukunftsverträge ermöglichen Hamburger Hochschulen neue Chancen – hamburg.de

Zum Hintergrund der finanziellen Schieflage der Universität Hamburg: Pressemitteilung des AStA der Universität Hamburg: Stellungnahme zu den Haushaltsverhandlungen 2021/22 und zum Hochschuletat – Universität Hamburg (uni-hamburg.de)

Zum geplanten Ausbau der Informatik: Aktuelle Entwicklungen am Fachbereich: Großer Abbau von Informatik-Studienplätzen – Universität Hamburg (uni-hamburg.de)

Petition gegen die Kürzungen: Jurastudium retten – Arbeitsgemeinschaften erhalten: change.org/ags_retten