Pressemitteilung

Hamburg, den 19.04.2021

Stellungnahme des FSR Rechtswissenschaft

Aufgrund einer schriftlichen kleinen Anfrage der Abgeordneten Annkathrin Kammeyer und Urs Tabbert (SPD) vom 04.03.21 hat der Senat zu den dramatischen Einsparungen am Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Hamburg Stellung genommen. Die Ausführungen des Senates sind derart fehlerhaft, dass sich der Fachschaftsrat Rechtswissenschaft dazu veranlasst sieht, diese im Folgenden zu korrigieren. Erneut fordern wir den Senat dazu auf, die Kürzungen zurückzunehmen und eine ausreichende Finanzierung der Universität sicherzustellen. Die kleine Anfrage der Abgeordneten hat offengelegt, dass die Fakultät Rechtswissenschaft ein Defizit von über 500.000,- Euro hat. Ohne die Rücklagen der HSP-III-Mittel und den daher dringend benötigten Ausgleich durch Landesmittel ist die Fakultät gezwungen, Teile des Lehrangebotes zu streichen. Über die Finanzierung der Fakultät äußert sich der Senat wie folgt:

“Das Budget der Fakultät betrug 2020 rund 12,9 Millionen Euro. Es wird 2021 auf 13,4 Millionen Euro steigen und erreicht 2022 rund 13,6 Millionen Euro. Damit ist die Fakultät auch im Vergleich zu rechtwissenschaftlichen [sic!] Bereichen anderer Universitäten gut ausgestattet.”

Für letztgenannte Behauptung wird keinerlei Quelle genannt, insbesondere die Benennung der Vergleichsfakultäten fehlt. Sollten sich aber die Ausführungen des Senates auf den Bericht “Ausstattungs-, Kosten- und Leistungsvergleich Universitäten 2016 Kennzahlenergebnisse für die Länder” beziehen, so ist dieser Vergleich unseres Erachtens unzulässig. Es ist kein Zufall, dass viele der norddeutschen Vergleichsfakultäten in einschlägigen Rankings (vgl. https://www.lto-karriere.de/jura-studium/uni-ranking) regelmäßig untere Plätze belegen. Die Unterfinanzierung der anderen norddeutschen Fachbereiche darf nicht als Argument für die Legitimation der Unterfinanzierung des Fachbereichs der UHH herangezogen werden. Wir wagen zu behaupten, dass die rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Hamburg im Vergleich zu anderen herausragenden rechtswissenschaftlichen Fakultäten in Deutschland (LMU München, Universität Bayreuth) deutlich schlechter ausgestattet ist und stellen damit die Frage, ob eine “Exzellenzuniversität” wie die UHH sich nicht mit anderen “Exzellenzuniversitäten” messen lassen muss.

“Die drei Arbeitsgemeinschaften, die in den vergangenen Semestern im Hauptstudium des vierten und fünften Semesters angeboten wurden, werden im Sommersemester 2021 nicht angeboten (bis auf jeweils eine AG pro Vorlesung für Nebenfach- und LL.B.-Studierende), da sie nicht zum Pflicht-Curriculum gehören.”

Die Feststellung, dass die gestrichenen Arbeitsgemeinschaften nicht zum “Pflicht-Curriculum” gehören ist zwar formal korrekt, inhaltlich aber bedeutungslos, weil sie den Wert der AGs in der juristischen Ausbildung nicht angemessen berücksichtigt. Diese Äußerung verschleiert, dass die Inhalte der gestrichenen AGs selbstverständlich weiter zum Pflichtstoff im Examen gehören. Der Wegfall der AGs zwingt Studierende daher, noch mehr als ohnehin schon für private Repetitorien zu zahlen und fördert damit die Bildungsungerechtigkeit im Studiengang Rechtswissenschaft weiter!

“Die zentrale Funktion von Arbeitsgemeinschaften ist die Einübung juristischer Falllösungstechnik. Es geht hier also nicht um die Vermittlung von Inhalten, sondern um die Einübung von Methodenkompetenz. Dies ist zu Beginn des Studiums weitaus wichtiger als in den Folgesemestern.”

Selbstverständlich geht es auch in den Arbeitsgemeinschaften um die Vermittlung von Inhalten, jede anderweitige Verlautbarung offenbart nur die vollkommene Praxisferne und Unkenntnis von Sinn und Funktion der Arbeitsgemeinschaften im rechtswissenschaftlichen Studium. Warum die Vermittlung dieser Inhalte und anwendungsorientierter Methodenkompetenz in den Folgesemestern weniger wichtig sein soll, ist im Hinblick auf das nahende Examen vollkommen unklar bis schlicht falsch. Das Gegenteil ist richtig, die Methodenkompetenz entwickelt sich über das ganze Studium und kann nicht allein durch die AGs im Grundstudium abgedeckt werden. Die Kürzung der AGs widerspricht damit modernen Erkenntnissen über das effektive Lernen, weil AGs einen wesentlichen Beitrag für den Wiederholungs-, Vertiefungs- und Anwendungsprozess leisten.

Dr. Sören Deister (Wissenschaftlicher Mitarbeiter) betont nochmals die Bedeutung von Arbeitsgemeinschaften: “Hier schaffen wir Räume für die Studierenden, Lehrinhalte zu diskutieren und sich kritisch mit diesen auseinanderzusetzen. Die Arbeitsgemeinschaften stellen einen essentiellen Teil der Lehre da. Sie sind gerade zur Zeit des Online-Semesters die einzige Möglichkeit für die Kommilitonen*innen, in den direkten Austausch miteinander und mit den Lehrenden zu treten.“

“Bereits vor der konkreten Entscheidung für das Sommersemester 2021 wurde über die möglichen Formate mit dem Think Tank Lehre (einem Beratungsgremium, das mit Studierenden, wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Technischem und Verwaltungspersonal sowie Professorinnen und Professoren besetzt ist) gesprochen. Diese Beratung bezog sich nicht explizit auf das Sommersemester 2021, allerdings sind die Erkenntnisse aus der Beratung in die Entscheidung des Dekanats über das Sommersemester 2021 eingeflossen.”

Im Think Tank Lehre (oder irgendeinem anderen Gremium der Fakultät) war von AG-Kürzungen vor Januar 2021 nie die Rede. Außerdem besitzt der Think Tank Lehre keine Entscheidungskompetenzen und keine Legitimation. Zentral ist dabei, dass die Studierenden im Think Tank Lehre keine hierfür gewählten Vertreter*innen der Studierendenschaft sind und somit eben keine Beteiligung der institutionell verfassten Studierendenschaft in Form der Fachschaft stattgefunden hat. Daher hat eine Einbeziehung der Studierendenschaft faktisch nicht stattgefunden. Äußerungen, die Gegenteiliges implizieren, sind als unwahr zurückzuweisen. Erst am 18.02.2021 – einen Monat vor Eintritt der Kürzungen – wurde die Studierendenschaft von Seiten der Fakultät per E-Mail über das Ergebnis informiert. Auch im zentralen Gremium der Fakultät – dem Fakultätsrat – wurde zu keinem Zeitpunkt eine AG Kürzung diskutiert.

Jonas Willers von den Kritischen Jurastudierenden sagt über die Kürzung der AGs das Folgende: “Die Kommiliton*innen des 3. Semesters werden mit Abschluss dieses Semesters eineinhalb Jahre im Homeoffice verbracht haben. Das 4. und 5. Semester – die ersten, die die sie überhaupt real an der Uni erleben – werden ausschließlich aus Vorlesungen bestehen. Es soll keine weiteren Veranstaltungen geben. Auch wenn wir die Leistungen der Lehrenden in den Vorlesungen anerkennen, so kommen wir nicht umhin festzustellen, dass die Vorlesungskonzepte gerade in Verbindung mit den Arbeitsgemeinschaften die intendierte didaktische Wirkung entfalten. Gibt es keine AGs, verlieren auch die Vorlesungen, weil ohne Arbeitsgemeinschaften den Studierenden schlicht die Wiederholung, Übung und praktische Anwendung der Inhalte fehlt. Angesichts derart deprimierender Aussichten ist es vollkommen nachvollziehbar, dass Studierende überlegen, ihr Studium abzubrechen.”

Zusammenfassend offenbaren die Ausführungen des Senates zu den Kürzungen am Fachbereich Rechtswissenschaft lediglich, dass seinerseits keine sorgfältige Analyse der Finanz- und Sachlage durchgeführt wurde. Es ist entsprechend zu einer verzerrten und fehlerbehafteten Einschätzung der Situation seitens der Landesregierung gekommen. Wir bleiben daher bei unserer Position: Studieren darf nicht noch stärker als bisher zu einem Privileg verkommen! Wir fordern den Senat dazu auf, eine ausreichende Finanzierung der Universität sicherzustellen.

Fachschaftsrat Rechtswissenschaft
Rothenbaumchaussee 33
20148 Hamburg
Anfragen bitte an: fsr.jura@uni-hamburg.de